Vasektomie vs Kastration bei Herdenschutzhunden
Dieses Thema ist ein viel diskutiertes und auch enorm wichtiges.
Unser Beitrag wird so aufgebaut dass wir Theorie und Praxis ein wenig verknüpfen wollen. Der wissenschaftliche und medizinische Teil stützt sich auf bereits durchgeführten Studien und Forschungsberichte sowie persönlichen Diskussionen und Fortbildungen mit Forschenden, Vortragenden und Tierärzten und dessen Publikationen. Der praktische Bereich wird durch unsere Erfahrungen, Erkenntnissen und Beobachtungen aus unserem Tätigkeitsfeld bei der Betreuung von Herdenschutzhunden abgedeckt.
Um das komplexe Gebiet in direkten Bezug mit unseren Erfahrungswerten so eingrenzen können werden wir hier spezielles Augenmerk auf die Rassen Zentralasiatischer Owtscharka (CAO) und Kaukasische Owtscharka legen. Diese beiden Rassen, sind die bei uns am meist betreutesten und somit auch unser Schwerpunkt.
Unser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Allgemeingültigkeit und kann/soll nicht als einzig und absolute Wahrheit gesehen werden. Vielmehr ist unser primäres Ziel, darzulegen und zu begründen weshalb wir als Secure Base die Vasektomie als das geeignetste Mittel zur Empfängnisverhütung und um ungewollte Vermehrung von Herdenschutzhunden im Tierschutz zu verhindern. Sowie darauf aufmerksam zu machen welche Folgen aufgrund von Kastration bei den og. Rassen möglich sind.
Bevor wir nun direkt in das Thema eintauchen vorab noch die rechtliche Auslegung zur Kastration:
Rechtlich ist in Deutschland und Österreich die Kastration ohne zwingenden medizinischen Grund gemäß § 1 und 6 TierSchG verboten.
§ 6: Verboten das vollständige oder teilweise Amputieren (Kupieren) von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Hieran haben sich auch Tierschutzorganisationen und Tierheime zu halten. Das Amtsgericht Alzey hat hierzu ein klares Urteil gefällt (AZ: 22 C 903 /95) und bestätigt dass eine Kastration ohne medizinische Indikation einen Verstoß gegen §1 TierSchG darstellt, da einem Tier eben ohne Grund Schmerz und Leid zugefügt wird.
Die Kastration – jetzt geht’s ans Eingemachte…
Um ins Innere zu gucken um zu verstehen was eigentlich bei einer Kastration passiert müssen wir einen Blick auf die Geschlechtsorgane werfen. Fangen wir mal beim Rüden an. Die Produktion von Geschlechtszellen also den Samenzellen sowie das berühmt berüchtigte Hormon Testosteron geschieht zu 95% im Hoden. Die fehlenden Prozent werden in der Nebenniere gebildet. Der Hoden ist jedoch nur das Ende einer langen Befehlskette daher müssen wir uns auch mit den weiter oben gelegenen Organen auseinandersetzen. Wie auch beim Menschen beginnt auch bei den Hunden alles im Hirn 😀 Im Bereich des Gehirns gibt es zwei wichtige Hormondrüsen die am Fortpflanzungsverhalten maßgeblich beteiligt sind Die Zirbeldrüse und die Hirnanhangsdrüse. Die Zirbeldrüse (Epiphyse) schüttet steuernde Hormone aus – die wichtigste Auflistung der Hormone und deren Aufgabe wird noch extra ausgeführt- und schickt diese an die Hirnanhangsdrüse weiter. Die Hormone die jetzt zunächst die Einsatzbefehle an die Hirnanhangsdrüse weitergibt sind das GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon), FSH ( Follikel stimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) . Die letzten beiden werden über die Blutbahn zum Hoden und starten dort die Produktion. (Achtung in der Hirnanhangsdrüse werden noch einige weitere Eiweißhormone gebildet die bei der Kastration bedeutsam sind unter andrem Oxitocin, Vasopressin und Prolaktin). Neben der Zirbeldrüse und der Hirnanhangsdrüse gibt es noch eine weiter sehr wichtige Hormondrüse und zwar die Nebenniere. Auch die Nebenniere ist Befehlsempfänger der Hirnanhangsdrüse aber über ein anderes Hormon ( ACTH -Adreno-Corticotropes Hormon) . Dieses steigert vor allem in der NNR die Produktion von Cortisol und in geringem Maß eben auch der Sexualhormone.
Bei der Hündin ist das Gehirn wie beim Rüden müssen wir also nicht nochmal beschreiben, die Eier und auch ein Großteil der weiblichen Hormone ( Östrogene) werden im Eierstock produziert. Die Eier müssen dann in den Wimperntrichter und von dort in den Eileiter um dann anschließend zuerst in die beiden Gebärmutterhörner und danach in den Gebärmutterkörper. Die Gebärmutterwand produziert ebenfalls Östrogene.
(vgl. „Kastration und Verhalten beim Hund“ , Udo Gansloßer/ Sophie Strodtbeck, 3. Aufl. 2018)
Was passiert nun bei der Operation?
Bei beiden Geschlechtern bedeutet Kastration die Entfernung der Geschlechtsorgane. Beim Rüden werden daher die Hoden aus dem Hodensack entfernt und bei der Hündin die Eierstöcke aus dem Bauchraum. Wird bei der Hündin noch zusätzlich die Gebärmutter entfernt wäre dies eine Ovariohysterektomie also eine Totaloperation.
So wenn man jetzt bedenkt dass mit der Entnahme der Geschlechtsorgane wohl oder übel auch die aus diesen stammende Geschlechtshormonproduktion schlagartig wegfällt kann man sich auch als Laie vorstellen dass das nicht ohne gravierende Folgen bleiben kann.
Die Schräge Sache mit den Hormonen – obwohl unser Beitrag ja im Eigentlichen um die Kastrationsproblematik geht kommen wir nicht drum herum uns das Zusammenspiel des Hormonhaushaltes mit der Verhaltensthematik anzusehen. Auch wenn es da um Hormone geht die keine Sexualhormonen sind. Nur so können wir den Einblick bekommen warum es zu gewissen Problematiken nach der Kastration überhaupt kommt oder besser gesagt warum viele KastrationsGRÜNDE im Prinzip gar keine sind. Auch wird dann sehr schnell klar, weshalb das Verhalten vor allem bei Kaukasen und CAOs nach der Kastration in den meisten Fällen ins Negative kippt. Sehr zum Schock ihrer Besitzer da diese ja dachten mit der Kastration wären alle Probleme gelöst…
Hormone stehen in einem sehr komplexen und komplizierten Wechselspiel miteinander. Die Wegnahme eines Hormons wie bei der Kastration eben passiert kann an einer anderen Stelle des Gehirns plötzlich unerwartete Nebenwirkungen zur Folge haben. Eine weitere Herausforderung um das Hormonsystem zu verstehen ist die Tatsache dass verschiedene Organe nämlich mit der gleichen Botschaft unterschiedliche Konsequenzen umsetzen können und verschiedene Organe können mit dem gleichen Hormon ganz unterschiedliche , zum Teil sogar entgegengesetzte Wirkungen erzielen.
Um es noch komplizierter zu machen treten Hormone auch noch in verschiedenen chemischen Substanzklassen auf. Hier sind für uns vor allem die wasserlöslichen und fettlöslichen Hormone von Bedeutung. Die Erklärung wie genau die Zellen, und Bindungsstellen also Rezeptoren funktionieren kann in diesem Beitrag nicht ausgeführt werden da dies den Rahmen sprengen würde. Stellt es euch einfach wie ein Schlüssel – Schloss Prinzip vor .Kommt ein passender Schlüssel in das passende Schloss , kann die entsprechende Wirkung in der Zelle entfaltet werden. Fehlt der Schlüssel, tut sich auf der anderen Seite des Schlosses nichts. Zu den wasserlöslichen Hormonen welche für uns wichtig sind zählen die Eiweißhormone ( z.B. Prolaktin, die Katecholamine, Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin)- Im Bezug auf Kaukasen und CAOs ist Dopamin dann von größter Bedeutung. Wasserlösliche Hormone können über das Blut jederzeit transportiert werden. Die fettlöslichen Hormone müssen im Blut zuerst an eine Trägersubstanz gebunden sein nur dann können sie auch transportiert werden. Zu diesen Hormonen zählen alle echten Sexualhormone und das im Zusammenhang mit der Kastration wichtige Stresshormon Cortisol. Neben den klassischen Hormonen gibt es noch eine Vielzahl anderer Botenstoffe welche ebenfalls Verhaltens beeinflussend sind.
WICHTIG: Hinzukommt dass Herdenschutzhunde einen insgesamt geringeren Dopaminspiegel aufweisen im Gegensatz zu anderen Rassen!
Hier eine ganz kurze und komprimierte
Zusammenfassung der wichtigsten Hormone in Stichpunkten
erklärt:
Androgene- Sammelbegriff für männl.
Geschlechtshormone
Östrogene- Sammelbegriff für die weiblichen Hormone.
Adrenalin- Fluchthormon, aber auch Botenstoff im Nervensystem. Erhöht zugleich den Spiegel an Cortisol. Keine Wirkung auf Sexualhormone.
Noradrenalin- Kampfhormon, wirkt ähnlich wie Adrenalin , erhöht jedoch den Sexualhormonspiegel, senkt die Reizschwelle
Cortisol- das passive Stresshormon- sogenanntes Kontrollverlustshormon. Erhöht die Angst und Futteraggression sowie die Neophobie. Steigert defensive Territorialität. Senk den Spiegel der Sexualhormone.
Acetylcholin- Botenstoff in Gehirn und Nervensystem , beteiligt bei Jagdverhalten sowie Epilepsie
Dopamin- die Selbstbelohnungsdroge im Gehirn! Hohes Suchtpotential! Verstärkt selbstverarbeitete Lernerfolge. Macht in bestimmten Bereichen aggressiv du ist am Sexualverhalten beteiligt.
Endorphine – Hirneigene Opiate. Dämpfen Schmerzempfinden und erhöhen Ausdauer
Melatonin – Schlafhormon welches aus Serotonin entsteht
Serotonin – sehr kompliziert einerseits ist es als Botenstoff im Gehirn stimmungsaufhellend, kann aber auch aggressiv machen , die unterschiedlichsten Regelkreise wegen mehrerer unterschiedlicher Rezeptoren lassen das Serotonin nicht so kurz erklären
Oxytocin – Bindungshormon , schafft Vertrauen , stärkt Bindungen senkt den Stresshormonpegel
Progesteron- Schwangerschaftshormon, verantwortlich für die echte Scheinschwangerschaft, dämpft Aktivität
Prolaktin – Elternhormon beteiligt an Schutzverhalten, Jungtierverteidigung
Testosteron- sogenannte männliche Hormon welches aber ebenfalls bei weiblichen Wesen vorkommt. Hormon des sozialen Erfolges
Thyroxin – Schilddrüsenhormon, es hat zwar selbst keinen Einfluss auf Verhalten, erhöht jedoch die Adrenalinkonzentration und steuert den Abbau des Cortisols.
Vasopressin – Partnerschutz und Eifersuchtshormon, bewirkt individuelles Erkennen des Bindungspartners aber auch dessen Verteidigung und aktiviert das Noradrenalinsystem
(vgl.Gansloßer/Strodbeck)
Zum Schluss müssen wir auch noch kurz auf die chemischen Botenstoffe eingehen die zwischen den Hunden ausgetauscht werden. Hierbei sind die wichtigsten die Pheromone diese werden in speziellen Duftdrüsen gebildet. Aber Achtung nicht alle Duftstoffe sind immer Pheromone, dies wird fälschlicher Weise oft so benannt. Im Zusammenhang mit den Hunden ist nur das klassische DAP ( Dog Appeasing Pheromon) ausreichend erforscht. Es wirkt Stressdämpfend. Viel wichtiger bei der Kastrationsproblematik spielen die Duftstoffe aus den Analdrüsen oder im Urin eine größere Rolle.
Nun aber endlich zum praktischen Teil und die Auswirkung der Kastration auf das Verhalten. Im nachfolgenden möchte ich ein paar wenige Fallbeispiele anführen welche wir persönlich im Laufe unserer Arbeit mit Herdenschutzhunden- im speziellen eben Kaukasen und Zentralasiaten sammeln und beobachten konnten. ( ein minimalistischer Auszug denn alle können wir hier nicht auflisten)
Und wie es im realen Leben nun mal so ist , auch wir mussten aus Fehlern lernen. Zum einen weil es vor 20 Jahren einfach viel weniger Forschung in diesem Bereich gab und zum anderen weil auch wir einmal blutige Anfänger mit wenig Ahnung waren.
Im Jahr 2000 hatten wir einige
Pflegehunde darunter eine Kangalhündin und eine Sarplaninac Hündin.
Beide kamen aus dem Tierschutz. Die Sarplaninac Hündin um die es
hier geht kam im Alter von 6 Monaten zu uns nachdem sie aus dem
Ausland zu seiner Familie gekommen war bei deren sich innerhalb
kürzester Zeit die innerfamiliären Beissvorfälle häuften. Man
sprach damals von ressourcenbedingter Aggression denn die Hündin da
die Hündin ihre Schätze sehr selbstbewusst und offensiv
verteidigte. Hierbei handelte es sich aber keines Falls nur um
Futter/Knochen/ Spielzeug sondern dies konnte auch gut der
Staubflusen sein, den sie unter der Couch hervorholte und bewachte .
Bei uns zeigte sich die Hündin prinzipiell von einer ganz typischen
Junghundseite die rassebedingt einfach hinterfragte. Im Alter von 10
Monaten begann sie jedoch die vorhandene Hündin immer wieder „aus
dem nichts“ ( was wir damals glaubten) anzugreifen. Aus den
anfänglichen kurzen Beißereien wurden schnell ernsthafte Kämpfe.
Um körperliche Beschwerden auszuschließen stellten wir die Hündin
unserem Tierarzt vor, der uns dann zu sofortiger Kastration riet da
die Hündinnen sich sonst töten würden. Ziemlich panisch und
aufgrund mangelnder Erfahrung, stimmten wir der Kastration zu.
Bereits kurze Zeit nach diesem Eingriff begann die Hündin auch uns
gegenüber „anders“ zu werden. Zu dem Zeitpunkt konnten wir
dieses Verhalten noch nicht zuordnen. Sie verteidigte nicht generell
ihre Ressourcen – sondern zeigte sehr deutlich wer zu diesen
Zugang hatte und wer nicht. Auch die sonst sehr erwünschten
Streicheleinheiten waren nur mehr zu ihren Konditionen erlaubt. Die
Situation zwischen den Hündinnen nahm auch einen für uns äußerst
unerwarteten Lauf. Wo vorher die Attacken von der Sarplaninac Hündin
gegen die Kangalhündin ausgingen wendete sich das Blatt nun und die
Kangalhündin tolerierte sie nicht mehr in ihrer Nähe. Im Gegenzug
reagierte die Sarplaninac Hündin massiver als je zuvor auf die
Kontrahentin sodass die Hündinnen dauerhaft getrennt werden mussten.
Mit dem heutigen Wissen war diese Entwicklung vorhersehbar …
Ein
weiterer Fauxpas in unserer Lerngeschichte zeigte uns ein junger
zentralasiatischer Owtscharka Rüde. Er kam aus einer Tötungsstation
zu uns und sollte bis zu seiner Endvermittlung welche über einen
Verein lief bei uns sein. Im Pflegestellenvertrag war diese
berüchtigte Kastrationsklausel. Der Rüde war ca. 1 – 1,5 Jahre
alt und zu dem Zeitpunkt auch mit anderen Rüden sowie Hündinnen
verträglich. Bei uns lebten damals noch 1 Cao Hündin (getrennt) ,
zwei Kangal Hündinnen sowie ein Mastin Rüde. Der Rüde war sehr
menschenbezogen und ausgesprochen offen für seine Rasse. Auch
Fremden gegenüber zeigte er wenig Misstrauen. In der Hundegruppe
ging er stets jeder Konfrontation aus dem Weg. Er verstand sich mit
den Kangalhündinnen und dem Mastin sowie in der 2er Kombi mit der
Cao Hündin. Bei Spaziergängen interessierten ihn Fremdhunde gar
nicht. Als die Kastrationsklausel zum Einsatz kam und er im Alter von
knapp 2 Jahren kastriert wurde kippte sein Verhalten gänzlich. Nach
kürzester Zeit gerieten die beiden Rüden in die Haare und zwar so
heftig dass es kaum möglich war die beiden voneinander zu trennen.
Beide trugen grobe Verletzungen von diesem Kampf und mussten
tierärztlich versorgt werden. Eine Zusammenführung war nie mehr
möglich. Auch im Zusammenleben mit der CAO Hündin kippte die
Stimmung. Die Hündin mobbte ihn massiv und tolerierte ihn nicht
mehr. Die beiden Kangalhündinnen waren jedoch weiterhin neutral ihm
gegenüber. Aus heutiger Sicht können wir uns nur selbst auf den
Kopf greifen….
(Anmerkung: nach diesen beiden Kastrationskatastrophen und die intensive Auseinandersetzung und Wissenserweiterung der darauffolgenden Jahre haben wir keinen unserer Hunde mehr kastrieren lassen)
Im Laufe der Jahre haben wir jedoch
immer weitere Erfahrungen mit Kastraten sammeln können, welche
bereits kastriert bei uns angekommen sind. Hier lassen sich in den
meisten Fällen berichten, dass speziell mit dem Blick auf die
angeborene Disposition der Herdenschutzhunde eine Kastration in den
meisten Fällen ein negativer Verstärker des Verhaltens ist. Auch
die Verträglichkeit leidet massiv unter den Folgen der Kastration.
Wenn man sich die Genetik der Herdenschutzhunde ansieht und auch
wofür sie gezüchtet und eingesetzt wurden, die Tatsache dass im
Besondern Kaukasen und Caos eine signifikant erhöhte Artgenossen
Aggression gegenüber unbekannten Hunden sowie auch im
gleichgeschlechtlichen Bereich aufweisen wird schnell bewusst dass
hier jegliches Eingreifen in den Hormonhaushalt fatale Folgen nach
sich ziehen kann.
Bei den bei uns betreuten Kastraten können wir
die Aussage tätigen dass statistisch gesehen 9 von 10 Kastraten (
Geschlecht nebensächlich) als Einzelhunde gehalten werden müssen.
Kastrierte Rüden werden weder von intakten noch von kastrierten
Hündinnen toleriert. Kastrierte Hündinnen tolerieren weder intakte
noch kastrierte Rüden. Auch werden vermeintlich verträgliche Hunde
nach der Kastration weder von kastrierten noch intakten angenommen.
Selbstverständlich kann dies nicht generell pauschalisiert werden
denn es gibt auch bei diesen Rassen untypische und leichtführige
oder wie man so schön sagt „weichgespülte“ Vertreter, diese
bilden jedoch eine Minderheit und sind kein Maßstab an denen man
sich orientieren könnte.
Nachfolgend noch ein kurzer Überblick welche zu erwartende Verhaltensänderungen nach der Kastration auftreten können ( nicht müssen)- mit Stichpunkterklärung:
Im Bezug auf
Territorialverteidigung defensiv – Verschlimmerung des Verhaltens da Cortisol gesteuert
Futteraggression – Steigerung des Verhaltens da Cortisol gesteuert
Angstaggreession- auch Cortisol gesteuert daher Verschärfung der Problematik
Jugtierverteidigung etc. – Prolaktin und Testosterongesteuert daher Verschlimmerung
Angst, Panik- übermäßige Cortisol- Produktion daher eine Verschärfung
Ständige Wettbewerbsaggression – Anstieg je nachdem ob Hündin Testosteron gesteuert ist oder nicht
Eine wissenschaftliche Stellungnahme wurde in Kooperation mit Dr. Gansloßer eigens für Secure Base abgegeben. Hier ein kurzer Auszug aus dem Gutachten welches sich nicht nur auf Herdenschutzhunde bezieht aber auf diese angewendet werden kann:““ Dass sich der Charakter eines Hundes nach einer Kastration ändert, kann zweifelsfrei bestätigt werden, jedoch zeigen bisherige Forschungsarbeiten, dass diese Veränderung durchaus zum Negativen des Hundes ausfallen kann (Casey et al. 2014; Kaufmann et al. 2017; Niepel 2007; O’Farrell & Peachey 1990; Farhoody & Zink 2010; Zink et al. 2014).
Da viele Hundehalter/innen sich aufgrund aggressiver Verhaltensprobleme für eine Kastration entscheiden, sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass eine Kastration aggressives Verhalten durchaus steigern kann (Hsu & Sun 2010). Aggressive Verhaltensweisen wie die Partnerschutzaggression, Verteidigungsaggression oder angstbezogener Aggression, die im Folgenden genauer erläutert werden, können durch eine Kastration ohnehin nicht beseitigt werden (Strodtbeck & Gansloßer 2011):
Im schlimmsten Falle werden aggressive Verhaltensweisen sogar verstärkt. So konnte bei kastrierten Rüden mitunter beobachtet werden, dass ihre Aggressivität gegenüber anderen Hunden und Menschen ansteigt (Kaufmann et al. 2017). Ein ähnlicher Anstieg im aggressiven Verhalten gegenüber Familienmitgliedern kann für Hündinnen vermerkt werden (Lorenz et al. in press.).
Einen Anstieg in der Aggressivität gegenüber fremden Menschen nach einer Kastration konnten Farhoody et al. (2018) in ihrer Studie vermerken. Die genauen Gründe für diese Tendenzen sind bisher nicht geklärt, aber ein Zusammenhang mit der Abnahme der Östrogen- und Progesteronkonzentrationen und ihrer angstlösenden Wirkung bei einigen Rassen sei nicht auszuschließen (Kustritz 2007). Laut einer amerikanischen Studie (Overall 2007) tendieren mehr kastrierte als intakte Hündinnen dazu, andere Hunde zu beißen.
Ebenso steigt die Tendenz für ängstliches sowie gestresstes Verhalten nach einer Kastration. Sowohl das Östrogen als auch das Testosteron fungieren als Antagonisten des Stresshormons Cortisol. Durch eine Kastration fallen diese Hormone, also gleichsam die Gegenspieler des Cortisols, weg, wodurch die cortisoldämpfende Wirkung aufgehoben wird und es schneller zu einem gestressten oder ängstlichen Verhalten kommt. Gerade dieser Zusammenhang der angstlösenden und stresshemmenden Wirkung der Sexualhormone erklären einige negative Verhaltensänderungen nach einer Kastration. Diese Befunde werden ebenso von den Ergebnissen anderer Studien unterstützt, die gleichermaßen herausfanden, dass kastrierte Rüden ängstlicher und weniger selbstsicher sind als intakte Rüden (vgl. z.B. Farhoody & Zink 2010; Zink et al. 2014; Flannigan & Dodman 2001). Gleiches kann für Hündinnen vermerkt werden (Farhoody & Zink 2010; Overall 2007; Strodtbeck & Gansloßer 2011; Zink et al. 2014).
(Dr. Udo Gansloßer 2018)
Zu den gesundheitlichen Risiken nach der Kastration sei angemerkt:
Eine Kastration kann auch die Entstehung bestimmter Tumoren begünstigen, wie die Entwicklung von Knochentumoren, Lymphkrebs und Tumoren im Bereich der (Hoferichter 2015). Die Populationsstudie von Bryan et al. (2007) ergab, dass kastrierte Rüden ein signifikant höheres Krebsrisiko besitzen als intakte Rüden. Die Ergebnisse der veterinärmedizinischen Datenbanken betrafen insbesondere den Prostatakrebs und Blasenkarzinome. Das Krebsrisiko für kastrierte Hündinnen steigt um ein 3-4faches an. Die dabei untersuchten Krebserkrankungen sind der Lymphdrüsenkrebs, die Hämangiosarkome, die Mastzelltumoren und Mammatumoren
Neben Knochen-, Gelenks-, und Nervensystemproblemen kann es zudem zu Veränderungen im Herz-Kreislauf-System kommen (z.B. Herzschwächen durch ein zu kleines Herz für einen zu großen Körper) (Torres de la Riva et al. 2013; Hart et al. 2014).. Zudem scheinen kastrierte Hunde vermehrt an Infektionskrankheiten innerhalb der ersten vier Jahre nach der Kastration zu leiden (Howe et al. 2001)
Fellveränderung nach der Kastration
Gerade bei Kaukasen hat die Kastration im Bezug auf das Fell richtig fiese Folgen. Sie entwickeln eine Art Welpen oder Wollfell welches sich kaum noch pflegen lässt. Die Daraus resultierenden Verfilzungen und Fellplatten sind dann häufig nur noch mit der Schere oder einem Rasierer entfernbar. Dies wirkt sich wiederum auf die Wärme/Kälteregulation aus. Auch ist ein gestörter Fellwechsel zu beobachten.
( vgl. mit unserem Bericht über Jordi)
Zusatz: Medizinisch indizierte Kastrationen beispielsweise Gebärmutterentzündung, entzündliche tumoröse Veränderungen, einige Formen der Diabetes, Scheinmutterschaft mit chronischen Entzündungen oder Knotenbildungen am Gesäuge, Hodentumore, Analtumore, Kryptorchismus udgl. Sind natürlich absolut notwendig und auch durchzuführen!
Gegenübergestellt kommt nun das Verfahren der Vasektomie/ Sterilisation welche bei uns zur Empfängnisverhütung durchgeführt wird. Außer Diskussion steht für uns, dass aufgrund der Tatsache des massiven Anstiegs von Herdenschutzhunden in Notsituationen absolut notwendig ist einer Vermehrung vorzubeugen. Wir können jedoch nur einen geringen Beitrag leisten und die Hunde die zu uns kommen unfruchtbar machen und als weitere Maßnahme intensive , wenn auch oft mühselige Aufklärungsarbeit zu leisten.
Anders als bei der oben angeführten Kastrationsmethode und deren Auswirkungen können wir uns bei der Vasektomie/ Sterilisation sehr kurz halten denn-
Bei einer Vasektomie oder Sterilisation
werden ausschließlich die die ausführenden Gänge – Eileiter der
Hündin und Samenleiter des Rüden gekappt und ein Stück entfernt
damit diese sich nicht mehr finden können. Dies macht die Hunde
fortpflanzungsunfähig, hormonell und Verhaltensbiologisch bleiben
sie jedoch völlig intakt. Keine Folgen. Auch der Geschlechtsakt kann
ganz normal vollzogen werden- die Rüden feuern nur eben mit
Platzpatronen. Und bei Hündinnen wäre im Falle eines Decksaktes
eines intakten Rüdens der Weg für die Samen abgeschnitten.
Siehe
unsere kreative Skizze des Eingriffs sowie die Bilder der Operation
Da sich die Sterilisation / Vasektomie eben rein gar nicht auf Verhalten oder Hormonhaushalt auswirkt, ist dieser Eingriff auch nur reine Fortpflanzungsverhütung.
Für diejenigen von euch, die bisher
beim Lesen durchgehalten haben , Hut ab , uns ist es bewusst dass
dieses Thema sehr komplex ist und wir haben auch versucht uns
wirklich nur mit den wichtigsten Fakten zu beschäftigen, diese aber
doch so zusammenhängend und daher auch sehr lang um die Inhalte
verknüpfen zu können und ein rundes Bild zu schaffen. Daher hier
nochmals erwähnt dass unser Beitrag nicht den Anspruch auf
Vollständigkeit hat. Über Kastration gäbe es noch weit
ausführlichere Dinge zu diskutieren und zu beschreiben.
Gerne
können wir jedoch einige Literaturempfehlung auflisten, sollte sich
jemand von Euch noch vertiefender mit der Materie befassen wollen.
Ich hoffe wir konnten euch hiermit einen Einblick in die Kastrationsthematik geben und auch Begründen weshalb wir als Secure Base die Vasektomie/ Sterilisation als Mittel der Wahl befürworten.
Literaturempfehlung
Gansloßer/Strodtbeck : Die Kastration des Rüden aus Verhaltensbiologischer Sicht
Gansloßer/Strodtbeck: Kastration und Verhalten beim Hund
Arnold. Urinary incontinence in castrated bitches Part 1
Badino: Modifications of serotonergic and adrenergic receptor concentrations in the brain aggressive Canis familiaris
Bielsky/Young: Oxytocin, vasopressin and social recognition in mammals
Busch- Kschiewan: Kastration bei Hunden
Möbius: Die Kastration beim Hund Indikationen unter dem Blickwinkel des TierschG
Okkens/Kooistra/Nickel: Vergleich der Langzeiteffekte der Ovarektomie mit denen der Ovariohysterektomie
Reichler: Auswirkungen der Kastration auf den Stoffwechsel , den Bewegungsapparat und die Tumorgenese