Rassen

Sind Herdenschutzhunde denn nicht auch „nur Hunde“ ?

Herdenschutzhunde

Bestimmt – aber man kann ihnen getrost das Schildchen „besondere Spezies“ umhängen 😉

Aufgrund der Zuwanderung von Großwild nach Österreich/ Deutschland ( und die dementsprechende panikauslösenden Berichte durch Medien usw.) wird versucht, Herden durch den Einsatz von Herdenschutzhunden zu schützen; eine vorherige ausreichende Einarbeitung in das Thema HSH in seiner ganzen Komplexität zwischen Wolf und Wanderer unterbleibt oft; bei Problemen im Alltag wird der Hund dann schnell zum Problem und muss „sofort weg“.

Das Territorium eines HSH endet nämlich nicht am Weidezaun. Sondern reicht links und rechts, sowie geradeaus – eben soweit sein Auge sieht. Herdenschutzhunde gehören zu den Hirtenhunden, (nicht zu verwechseln mit HÜTEHUNDEN!!) und hatten als solche in ihrer ursprünglichen Verwendung die Aufgabe, ihnen anvertraute Schützlinge vor Angreifern zu beschützen. Um typische Verhaltensweisen von Herdenschutzhunden zu verstehen, muss man sich ihre ursprüngliche Nutzung immer vor Augen halten. Hieraus ergeben sich bestimmte Verhaltensweisen und -tendenzen, die je nach Hund schwächer oder stärker ausgeprägt sind.

Herdenschutzhunde wurden seit Jahrhunderten in ihren Zuchtmerkmalen selektiert. Und so ausgeprägte genetische Eigenschaften kann man nicht kurzzeitig durch den Besuch einer Hundeschule „wegsozialisieren“ bzw. ein sehr selbständig agierendes Wesen durch Kommandos wie „Sitz“ und „Platz“ „beherrschen“.). Zudem gibt es unter Herdenschutzhunderassen vom Wesen her stark unterschiedliche Rassen sowie verschiedene Aufgaben-Linien (Arbeitslinie, Militärlinie, Showlinie).

In Zusammenschau all dieser Faktoren sind HSH in unserer dicht besiedelten Landschaft und einer im Umgang mit ihnen unerfahrenen Gesellschaft nur bedingt einsetzbar und auch artgerecht haltbar.

Rassen wie Kaukase, Sarplaninac, zentralasiatischer Owtscharka sind um einiges ursprünglicher und daher für Hundeanfänger eine oft zum Scheitern verurteilte Herausforderung . Es sind sehr eigenständige Hunde ohne dem von uns Europäern erwarteten „Will to please.“ Diese Hunde gehen nur in einem gewissen Maß die Kooperation mit dem Menschen ein; sie sind gezüchtet, um eigenständig und auch selbstständig zu agieren. Diese Eigenschaft ist für das eigene Überleben und die Unversehrtheit der ihnen anvertrauten Herde zwingend erforderlich, um sich und die Herde z.B. gegen Wölfe und Bären behaupten zu können. Hirten, die seit vielen Jahrhunderten ihre Herde einem HSH anvertrauten, müssen sich auf diesen absolut verlassen können, dass er im Ernstfall selbst entscheiden kann, wann eine Verteidigung notwendig ist und in welchem Ausmaß.

Es gibt zunehmend auch Herdenschutzhunderassen, die seit einigen Jahrzehnten fern von Herden gezüchtet werden und auf ein Leben als alltagstauglicher Familien-Begleithund vorbereitet werden. Die wohl bekanntesten Vertreter ihrer Art sind dabei unter anderem der ungarische Kuvasz, der Pyrenäenberghund, der polnische Podhalaner, der slowakische Cuvac und der italienische Maremmeno.

Sie gelten unter HSH als eher „weichgespült“. Dennoch haben sie immer noch spezielle Eigenschaften, welche durchaus zu Problemen führen können.

In den letzten Jahren entwickelt sich ein Trend zur Haltung von Herdenschutzhunden durch Privatpersonen, welche mit dem Handling der Hunde im urbanen Umfeld und den Charaktereigenschaften der HSH oft bald überfordert sind.

Die Dunkelziffer von illegal eingeführten (zum Teil kupierten und aus Arbeitslinien stammenden) Herdenschutzhunden ist hoch. Die zu erwartende Anzahl der von HSH-Notfällen in den nächsten Jahren steigt steil an. Denn die Haltung von Herdenschutzhunden in dicht bewohnten Gebieten führt nicht selten zu Zwischenfällen. Auch der Auslandstierschutz birgt Gefahren. In Ländern wie z.B Rumänien, Serbien, Ungarn, Bosnien uvm. Gibt es viele Herdenschutzhunde welche auch auf der Straße leben. So sind die aus dem Ausland vermittelten Hunde häufig Mixe mit Herdenschutz-Anteil. Überraschungseier wo sich die neuen Besitzer vorerst gar nicht bewusst sind was sie sich da ins Haus geholt haben.

Gegenüber Fremden zeigen sich Herdenschutzhunde eher reserviert und zurückhaltend. Manchmal wird das Wort „misstrauisch“ verwendet – weil Menschen dieses besser verstehen als das eigentlich passende Wort „VORSICHTIG“ . Herdenschutzhunde benötigen einen größeren Individualabstand sowohl zu Artgenossen als auch zum Menschen, als andere Hunde. Wird dieser unabsichtlich oder gar provozierend unterschritten und trotz klarer Körpersprache ignoriert bzw. einfach nicht erkannt, so können sie offensives Verhalten sehr deutlich zeigen.

Vergleicht man Herdenschutzhunde mit anderen Rassen, so zeigen sie eine weitaus längere Jungendphase, da die psychische und physische Erwachsenenreife erst mit einem Alter von ca. vier Jahren erreicht dies, wahrscheinlich auch auf Grund des insgesamt geringeren Dopaminspiegels und einer im Laufe ihrer Domestikation in bestimmten Bereichen verstärkten Neotenie .

Was mach ich nun wenn ich einen Herdenschutzhund habe oder möchte?

Dass es kein Patentrezept dafür gibt ist wahrscheinlich klar aber es gibt ein paar Leitlinien- ein paar Rahmenbedingungen an denen man sich anhalten kann ( ACHTUNG: jeder Hund ist individuell, hier thematisieren und beschreiben wir unsere eigenen Erfahrungen und erheben keinen Anspruch auf ”Allwissenheit” der absoluten und einzigen Wahrheit oder Vollständigkeit!)

Die Erziehung des Herdenschutzhundes darf nie mit Gewalt , Starkzwangmitteln, Druck, Drill oder sonstigen zweifelhaften Unterwerfungsmethoden erfolgen.

Ein Herdenschutzhund braucht Sicherheit, Bindung , klare Ansagen und Regeln, die aber nicht mit ,,Unterordnungsdrill“ reingeprügelt werden dürfen.
Vielmehr widerspiegelt das Auf und Erziehen eines HSH die Kindererziehung – Liebevoll, geduldig, beharrlich und konsequent.

Denn ein Herdenschutzhund wird übertriebenen Druck mit Gegendruck – aggressive Methoden mit aggressiven Verhaltensweisen ausdrücken. AUTORITÄT macht noch lange keine SOUVERÄNITÄT! Bedingungsloser Gehorsam und Unterwerfung sind ihm fremd, Eigenständigkeit und ein selbstdenkendes Gehirn sind ihm in die Wiege gelegt.

Ein Herdenschutzhund ist ein Freund, ein Partner, ein vollwertiges Familienmitglied und so und nur so sollte man ihm auch gegenübertreten und behandeln. Beziehung auf Augenhöhe und nicht von oben herab als Untergebener und des Menschen Untertan!

Selbstverständlich braucht es auch für Herdenschutzhunde klare Regeln ( Hausregeln, die individuell eben ausdiskutiert werden müssen) und da gibt es feste und nicht übertretbare Regeln und Regeln wo man halt manchmal auch drüber quatschen kann. ( diese kann man aber nur für sich selbst ausarbeiten denn jeder Mensch ist in seinen Ansprüchen in seinem Wollen und in seinem Tun eben anders)

Ähnlich ist es mit „Kommandos“ ( das Wort ist gruselig ) ich nehme lieber das Wort „mit Nachdruck Bitten“

Es gibt Dinge die nun mal befolgt werden müssen. Auch hier ist es je nach Menschen unterschiedlich was der Hund „ausführen können soll“

Unsere Hunde haben z.b genau zwei „Kommandos“ die immer und zu jeder Zeit freiwillig und ohne zögern ( meistens aber nachfragen darf man doch 1 – 2 mal :D) ausgeführt werden müssen.

Sprachlich ausgedrückt mit „KOMM HER“ und „GEH WEG“ . Wobei Körperhaltung, Handzeichen oder Blick in den meisten Fällen ausreichen damit sie verstehen was wir möchten. ( da wären wir wieder beim eigenen Gehirn dieser Hunde)

Natürlich gibt es dann Stimmen die sagen: Aber ist doch auch nur ein Hund und jeden Hund kann man erziehen, alles beibringen und lernen.

STIMMT! Selbstverständlich ist es möglich einen Herdenschutzhund soweit zu bringen das er alle – auch noch so sinnlosen Befehle ausführt…. Wenn man aber das möchte – sollte man sich dann nicht vielleicht doch ehrlich hinterfragen ob ein Herdenschutzhund der richtige Partner für einen ist?

Ist es wirklich nötig ein wunderbares , ursprüngliches Wesen wie das der Herdenschutzhunde kaputt zu machen, zu unterdrücken nur um zu beweisen dass die Rassen doch ,, normal ausbildbar“ und auch „nur Hunde“ sind?

Nicht selten bekommen wir auch Kommentare die meist anfangen mit:

„Mein Hund kann…..“

„Aber ICH sehe das so…“

„Ich habe gehört….“

„Mein Hund braucht, ist, tut, usw…“

Ja das ist auch alles legitim, wir möchten niemandem unsere Meinung unsere Ansichten oder unsere Erfahrungen aufzwängen. Nehmt euch mit was ihr für euch für passend und gut empfindet und den Rest lasst einfach liegen. Wir sehen uns ein bisschen als Aufklärungsbuffet und nicht als Zwangsernährer 😉

Für uns sind Herdenschutzhunde keine Hunde für jedermann und jeden Ort. Wenn man jedoch die Voraussetzungen erfüllt gewisse Rahmenbedingungen schafft , erhält man einen treuen, ausgeglichenen und loyalen Begleiter, den man nie mehr missen möchte.

Keine MONSTER – keine TEDDYBÄREN sondern wunderbare einzigartige und selbstständige Persönlichkeiten.